Hallo ihr Lieben!
Corona hängt mir ehrlich gesagt zum Hals raus. Also, nicht wirklich; ich bin erst vor kurzem getestet worden: Zum Glück negativ! In Coronazeiten ist negativ das neue Positiv. Aber: Ich kann es nicht mehr hören. Und deshalb: Halten wir uns einfach an die Regeln, versorgen wir uns maximal 20 Minuten am Tag mit neuen Infos über Corona, hören wir auf zu meckern und machen das Beste aus der Situation. Deshalb kommt „Corona“ auch im Verlauf des Briefes nicht weiter vor.
In den letzten Briefen habe ich viel darüber geschrieben, was die Tiere alles von uns Menschen lernen müssen. Pferde müssen zum Beispiel erst lernen, einen Reiter auf dem Rücken zu tragen. Das können sie nicht einfach so von alleine. Ein Mensch auf ihrem Rücken macht ihnen erst einmal Angst. Auch den Sattelgurt um ihren Bauch und das Gebiss im Maul finden sie am Anfang unheimlich. Ja, und sie verstehen auch nicht von allein, wann sie traben und wann sie still stehen sollen. Damit ein Pferd ein Reitpferd wird, muss es wirklich viel lernen. Auch Hunde müssen viel lernen, wenn sie mit uns zusammen leben. Sie müssen lernen, dass sie zum Beispiel keine Katzen, Kaninchen oder Rehe jagen dürfen; und Jogger und Radfahrer auch nicht. Für einen Hund ist es aber das Natürlichste der Welt zu jagen. Ansonsten würde ein Hund in der freien Natur verhungern. Wenn Sprotte also hinter unseren Hühnern her rennen möchte, dann ist sie nicht böse, sondern folgt ihrem Instinkt. Haustiere müssen also lernen, ihre Instinkte zu regulieren. Das ist für sie nicht einfach.
Okay, heute möchte ich aber darüber schreiben, was wir von den Tieren lernen können. Zum einen zeigen sie uns, dass es möglich ist, die eigenen Instinkte zu kontrollieren. Instinkte sind ganz starke Gefühle. Sprotte schafft es zum Beispiel mittlerweile, einfach an den Hühner vorbeizulaufen, obwohl sie sie gerne jagen würde. Und wenn Sprotte das schafft, dann sage ich mir: Das schaffst du auch! Ich schaffe es, nicht auszurasten, selbst wenn ich richtig sauer und auf 180 bin. Wenn Sprotte ihre Gefühle kontrollieren kann, dann sollte ich das auch können. In der nächsten Situation, in der ich ausrasten möchte, nehme ich mir Sprotte zum Vorbild.
Wir können aber noch viel, viel mehr von Sprotte, Balu und Co lernen.
Wenn wir neue Menschen kennenlernen, dann schauen wir oft: Sieht der gut aus? Trägt er Markenklamotten? Hat er Pickel? Ist er zu dick? Schreibt er gute Noten? Was fahren seine Eltern für ein Auto? Wohnt er in einem schicken Haus? Spielt er gut Fußball? All das ist Tieren egal. Ihnen ist es wurscht, ob du Pickel, fettige Haare und ein paar Kilos zu viel hast. Ihnen ist es egal, ob dein Pulli 100 Euro gekostet hat oder ob du deinen Pulli aus der Altkleidersammlung hast. Tieren ist es sogar egal, ob deine Kleidung Flecken oder Löcher hat. Das interessiert ein Tier nicht. Tieren ist auch egal, wie viel Geld auf deinem Konto ist, ob du ein dickes Auto fährst, ob du in einer Villa wohnst, und sie interessiert es nicht die Bohne, welche Note du in Klassenarbeiten schreibst. Weißt du, was Tiere interessiert. Es interessiert sie, ob man sich auf dich verlassen kann. Sie spüren, ob du dich wirklich für sie interessierst, und ob du für sie da bist. Wenn du Amigo reitest, dann ist es ihm nicht wichtig, dass du echte Reitstiefel anhast. Es ist ihm auch egal, ob du einen Reit- oder einen Fahrradhelm trägst. Für ihn ist es wichtig: Konzentriert sich mein Reiter auf mich oder sind seine Gedanken noch in der Schule, beim Fernsehprogramm oder bei der nächsten Verabredung. Amigo möchte, dass die Gedanken des Reiters ganz bei ihm sind, und sich der Reiter darauf konzentriert, ihm zu sagen, was er machen soll. Das ist für ihn wichtig.
Tiere schauen nicht auf dein Äußeres, sie schauen in dein Herz. Tieren kannst du nicht mit Äußerlichkeiten beeindrucken. Sie lassen sich auch nicht belügen. Wenn du Angst hast, spüren sie, dass du Angst hast. Sie spüren auch, wenn du traurig oder wütend bist. Und sie reagieren dementsprechend darauf. Die Reaktion von Tieren auf uns ist wie eine Art Spiegel. Erinnert ihr euch an das, was ich über Jack und den Nikolaus geschrieben habe. Wenn der Nikolaus auf Jack Angst bekommen hätte, hätte Jack das 100%ig gemerkt und hätte auch Angst bekommen. Manchmal lässt sich Amigo zum Beispiel nicht vom Paddock holen, wenn er spürt, dass ich wütend bin. Dabei spielt es keine Rolle, dass ich ja gar nicht auf ihn wütend bin, sondern darüber, dass die Waschmaschine gerade ausgelaufen ist, mein PC abgestürtzt oder eine hohe Rechnung angekommen ist. Wenn ich wütend bin, bin ich für Amigo unheimlich. Auch wenn ich mich bemühe, meine Wut nicht zu zeigen. Tiere sehen das, was wirklich in uns los ist und lassen sich nicht durch Äußerlichkeiten blenden. Das möchte ich auf jeden Fall von Tieren lernen.
Außerdem sind Tiere die besten Zuhörer. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie unsere Worte wirklich verstehen. Aber: Tiere quatschen uns nicht sofort dazwischen, fallen uns nicht ins Wort und haben auch keine vorschnelle Lösung parat. Sie sagen auch nicht: „Ach, so schlimm ist das doch nicht! Reiß dich mal zusammen!“ Sie sagen nichts, bleiben ruhig und sind einfach nur da. Sie bleiben in unserer Nähe, sind warm und weich und riechen gut. Und wenn wir ihnen erzählen, was uns auf dem Herzen liegt, dann haben sie alle Zeit der Welt. Es spielt auch keine Rolle, ob wir tatsächlich mit ihnen reden oder in ihrer Gegenwart einfach nur denken. Nach einer Zeit in der Nähe von Tieren spüre ich, dass es mir besser geht. Dann kann ich vielleicht schon wieder lachen, weil Sprotte mir mit der Zunge über die Wange leckt oder Balu mich anschnaubt. Ja, und dann spüre ich: „So schlimm ist es nicht. Ich bin ja nicht allein und ich pack das.“ Tiere können richtig gute Zuhörer und richtig gute Freunde sein.
Da Tiere sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen, stellen sie auch keine Bedingungen an uns. Sie sagen nicht: „Du bist erst mein Freund, wenn du auch so ein tolles Fahrrad hast, wenn du mir jeden Tag etwas kaufst und wenn du diese Mutprobe bestehst ...“. Tiere sind einfach dein Freund, wenn sie spüren, dass du es gut mit ihnen meinst. Wenn du es gut mit ihnen meinst, dann schenken sie dir ihre Freundschaft, einfach so. Und wir dürfen dieses Geschenk annehmen. Auch das können wir Menschen von Tieren lernen: Freundschaft ohne wenn und aber …
Ja, und noch etwas können wir von Tieren lernen. Darüber habe ich schon einmal in einem der ersten Newsletter geschrieben: Über den Umgang mit der Zeit. Wir Menschen sind Weltmeister im Pläne und auch im Sorgen machen. Wir fragen uns 1000- mal: Wann ist diese Pandemie endlich vorbei? Was mache ich am Wochenende? Wann komme ich endlich in die Schule? Wir machen ständig 1000 Pläne für die Zukunft. Hinzu kommen noch 1000 Gedanken über die Vergangenheit. „Wie hat die Lehrerin das wohl gemeint, als sie gesagt hat …?“ „War Karl wohl gestern sauer auf mich? Er hat so geguckt …?“ „Ob es richtig war, dass ich gestern nicht zum Schwimmen gegangen bin?“ Wir haben 1000 Gedanken im Kopf, die sich mit Morgen, Übermorgen, nächste Woche, nächstes Jahr, gestern, vorgestern und vor 10 Jahren beschäftigen. Und wisst ihr, was wir ganz schnell dabei vergessen? Den Augenblick, das Hier und Jetzt! Tiere leben immer im Hier und Jetzt. Wenn du Balu streichelst, dann genießt er, dass du ihn jetzt streichelst. Er denkt nicht darüber nach, dass du in einer Stunde wieder gehen musst oder dass du letzte Woche nicht da warst. Er genießt es, dass du ihn hier und jetzt streichelst.
Klar: Nachdenken, also reflektieren und Pläne machen ist wichtig. Sonst wäre unser Leben das reinste Chaos. Aber: Lasst uns wieder lernen, den Augenblick zu genießen. Wenn ihr Balu streichelt, dann genießt es, ihn zu streicheln. Nehmt so viel wie möglich wahr: Sein weiches Fell, seine Wärme, seinen Atem, seinen Geruch … So macht es Balu auch. Nehmt ihn euch zum Vorbild und werdet wie er zum „Augenblick-Genießer“.
Tiere können zwar nicht lesen, schreiben oder rechnen. Sie haben kein Abitur und können nicht studieren. Aber Tiere sind deshalb nicht dumm. Was wir von Tieren lernen können, das wird an keiner Schule oder Uni gelehrt. Und doch ist es für´s Leben wichtig. Nutzt die Chance, wann immer ihr die Gelegenheit dazu habt. Denn im Leben braucht man nicht nur einen guten Schulabschluss.
Ich denke, dass wir das, was im Leben wichtiger ist als Schulabschlüsse, Kontostände und das Markenlabel auf eurer Jacke, vor allem rund um das Weihnachtsfest spüren.
In diesem Sinne wünsche ich euch und eurer ganzen Familie noch eine schöne Adventszeit!
Bis zum nächsten Newsletter!
Liebe Grüße: Petra und der „Rest“ der Forsthöfler